Die Forschungsleitung übernahm das IZW (Leibniz Institute for Zoo and Wildlife Research) in Berlin. Die Ergebnisse wurden im Journal „Current Biology“ veröffentlicht.
Schritt, Trab und Galopp sind die Gangarten, die alle Pferde meistern können. Gangpferde bieten allerdings einen besonderen Komfort. Die zusätzlichen Gangarten ermöglichen es dem Reiter bequem zu sitzen wie im Schritt, aber dennoch gut Strecke zu machen, wie etwa im Trab oder Galopp. Gangpferde können in ihrem Repertoire neben den üblichen Gängen auch Gänge wie z.B. Pass, Running Walk und Tölt abrufen.
Hinter dieser Fähigkeit steckt eine Mutation im Gen namens DMRT3. Das wurde bei einer Studie herausgefunden, bei der die Gene von 4000 verschiedenen Pferden unterschiedlicher Rassen aufgeschlüsselt wurden. Zudem wurden die Gene von Pferden aus archäologischen Fundkontexten untersucht, darunter 90 Pferde aus dem Zeitraum zwischen etwa 6000 v. Chr. und dem Hohen Mittelalter (11. Jahrhundert n. Chr.). Bei zwei englischen Pferden (ca. 850-900 n. Chr.) und bei Pferden aus Island (ca. 9. – 11. Jahrhundert n.Chr.) konnte das mutierte Gen bereits sicher nachgewiesen werden. Bei älteren Proben ließ sich die Mutation offenbar nicht ausmachen. Das bedeutet, dass Gangpferde sehr wahrscheinlich in England, um 850 n.Chr. zum ersten Mal aufgetaucht sind und von dort relativ bald nach Island kamen, also vermutlich durch die Wikinger eingeführt wurden. Pferde lassen sich auf Island seit 870 n. Chr. nachweisen und laut den Forschern ist es unwahrscheinlich, dass die Genmutation fast zeitgleich in England und Island entstanden ist. Wahrscheinlicher ist, dass die Pferde, die das Gen bereits in sich trugen von England nach Island exportiert wurden.
Die Mutation ließ sich in dieser Zeit ausschließlich in englischen und isländischen Pferden nachweisen. Im Rest von Europa und auch in Asien scheint es die Mutation in dieser Zeit nicht gegeben zu haben.
Die Wikinger scheinen den Wert der Gangpferde erkannt zu haben und erhielten diese Mutation durch gezielte Weiterzucht. So legten sie den Grundstein für die spätere weltweiter Verbreitung der Gangpferde.
Woher das Islandpferd am Ende genau stammt, ist noch unbekannt. Lange Zeit ging die Forschung davon aus, dass das Island-Pferd zusammen mit den Wikingern nach Island kam, also aus Skandinavien. Da die Forscher das mutierte Gen DMRT3 allerdings in keinem skandinavischen Pferd des 9. Jahrhunderts nachweisen konnten, müssen auch Pferde anderer Herkunft früh nach Island gebracht worden sein.
Historische Aufzeichnungen beweisen, dass Wikinger immer wieder die britischen Inseln überfallen haben und dabei sogar ganze Teile Großbritanniens, wie z.B. Yorkshire besiedelt. Genau in dieser Region wurde das Gangpferde-Gen auch in zwei Fällen sicher nachgewiesen.
Den Wikingern verdanken wir also aller Wahrscheinlichkeit nach die Gangpferde mit ihren wunderbaren Gang-Variationen. Sehr wahrscheinlich züchteten die Wikinger gezielt Pferde, die Tölt und Pass gehen konnten, weil diese beiden Gangarten ein besonders komfortables Reisen auch über schwieriges Terrain ermöglichen und mit den reisenden Wikingern gelangte dann das Gangpferd schließlich zurück auf den europäischen Kontinent, wo sich vermutlich ebenfalls Populationen mit Genspuren der englischen Mutation erhalten haben.
So wissen wir, dass es im Mittelalter und der Frühen Neuzeit auch in Europa viele Pferde gab, die Gangarten beherrschten, die besonders für langes Reisen geeignet waren, wie Tölt und Pass. So besaßen die meisten Ritter nicht nur einen Destrier für den Kampf, sondern auch meist einen Zelter mit dem sie mit größtem Komfort auf Reisen gingen. Im Laufe der Neuzeit verloren Gangpferde im europäischen Raum jedoch an Popularität. Das vermehrte Reisen mit Kutschen mag auch dazu beigetragen haben. Aber die Gene verschwanden nicht gänzlich, denn auch heute gibt es neben dem Isländer einige Gangpferderassen, die über den Globus verstreut sind.
Bild 1: Isländer; Quelle: wikimedia, public domain.
Bild 2: Der auf einem Destrier reitende William Marshall bringt einen Gegner während eines Tjost zu Fall. From the ''Historia Major'' of [[:en:Matthew Paris]], Cambridge, Corpus Christi College Library, vol 2, p. 85. Scanned from ''Four Gothic Kings'', Elizabeth Hallam, ed.
Bild 3 (rechts): Jagdausflug. Monatsdarstellung aus den Très Riches Heures du Duc de Berry, Anf. 15. Jh.; gut zu erkennen ist der Passgang der beiden Pferde im Vordergrund.